Schon wieder Papst

Als 2005 Josef Ratzinger zum Papst gewählt wurde titelte tags darauf die BLÖD-Zeitung: „Wir sind Papst“. Ich wage zwar zu bezweifeln, dass irgendeine argentinische Zeitung auf eine ähnliche Idee kommt – aber ich vermelde mal: Ich bin schon wieder Papst – irgendwie. Heute ist der Argentinier (und auch noch Namensvetter) Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt worden. Er wird unter dem Namen Francisco I. (in diesem Moment streiten die hiesigen Medien noch ob unter Berufung auf Franz Xaver, einen berühmten Jesuiten oder auf Franz von Assisi, Gründer des Franziskanerordens) der 266. Chef der römisch-katholischen Kirche.

Francisco I. ist noch in manchen anderen Aspekten der I: Er ist der erste Papst, der nicht aus Europa aus Lateinamerika stammt (thanks, Kevin, for pointing that out). Außerdem ist er der erste Jesuit mit dem Papsthut auf.

Bergoglio legt offenbar wenig Wert auf Pomp und Statussymbole, fuhr auch als Kardinal von Buenos Aires noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln (s.u.) und bemühte sich um die Beseitigung von Armut. Dazu legte sich auch gerne mal mit Königin Cristina an. Er gilt als volksnah. Einerseits.

Der Papst in der U-Bahn via Pinterest

Andererseits vertritt er z.B. in Fragen wie Abtreibung, Verhütung oder Homo-Ehe sehr konservative Ansichten und geißelte die Gesetzesänderung, die hier seit 2010 die Heirat von zwei gleichgeschlechtlichen Menschen erlaubt, als „Attacke auf Gottes Plan“. Eine Reform der katholischen Kirche in Richtung Abschaffung von Zölibat oder Öffnung des Priesteramts für Frauen ist von ihm wohl nicht zu erwarten. Außerdem hat er laut Wikipedia und anderen Quellen ein paar dunkle Flecken auf der Biografie, weil ihm vorgeworfen wird, ein bißchen zu eng mit den Generälen der Militärregierung von 1976-1983 zusammengearbeitet zu haben. Er selbst schildert dies allerdings anders.

Ich hab schon an anderer Stelle kundgetan, dass mich Religion eigentlich nicht die Bohne interessiert. Wenn aber schon der deutsche Ratzinger, dem man sicher nicht zu nahe tritt, wenn man ihn nicht als „volksnah“ beschreibt, im Land Luthers, in dem sich nur noch 30% zum katholischen Glauben bekennen, so einen Furor ausgelöst hat, wage ich nicht zu prophezeien was hier in den nächsten Tagen für ein Medienrummel los sein wird. Immerhin sind rund 90% der Argentinier katholisch gläubig, knapp 77% davon katholisch (Zahlen einer Umfrage von 2008, neuere gibt’s offenbar nicht). Von Autokorsos ist allerdings bislang nichts zu hören. Hallelujah!

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8 Antworten zu Schon wieder Papst

  1. kevinjardine schreibt:

    Sorry for posting in English. There have been a few other popes from outside of Europe, eg. http://en.wikipedia.org/wiki/Pope_Gelasius_I
    Granted they all lived a *long* time ago.

    • llamadojorge schreibt:

      Thanks Kevin, I’ve corrected this. Apparently most media outlets didn’t have that right either and with 265 popes before this one it is easy to overlook such a fact. Welcome to my blog, BTW. I hope with Google translate you’ll be able to make something of it. Or you’ll finally learn German… 🙂

  2. Esther schreibt:

    „Schon wieder Papst“ – als ich die Info im Radio hörte, hatte ich genau diesen Gedanken. Natürlich nicht auf mich gemünzt, aber für dich. Womit hast du das verdient? Am starken Glauben kann es ja nicht liegen… 😉 Mit lieben Grüssen aus der Schweiz

    • llamadojorge schreibt:

      Grüezi Esther,
      nee, am Glauben kann’s wirklich nicht liegen, der geht mir ziemlich ab. Keine Ahnung was der Grund ist. Möglicherweise hat Maduro, der neue venezolanische Staatschef, recht und Chavez hat ein gutes Wort für einen Lateinamerikaner eingelegt. Oder war es gar Néstor? Aber hätte der ausgerechnet Bergoglio empfohlen?

  3. Marcel schreibt:

    Diese argentinische Papstwahl wird sich vermutlich positiv auf das Hold-Out Urteil auswirken, resp. ob man eine Einigung findet bei dem argentinischen Angebot an die Holds-Outs bis 27.3.
    Aber das Heimatland des Papstes kann man ja nicht gut in einen“ technical default“ laufen lassen, oder doch? Bin gespannt auf die Höhe des argentinischen Angebotes!

    Und wir Schweizer müssen jetzt den argentinischen Pabst beschützen, die argentinischen Devisenreserven horten und argentinische Fussballspieler zum Weltfussballer auszeichnen..
    Animus, argentum, circenses – die Schweiz-Argentinischen Verbindungen gedeihen

    • llamadojorge schreibt:

      Hallo Marcel, schön von dir zu lesen. Ich hab ja meine Zweifel ob ein wahrscheinlich einer protestantischen Glaubensrichtung angehörender US-amerikanischer Richter sich von einer Papstwahl besonders beeindrucken lässt. Schon gar nicht wenn es um die Auslegung von Gesetzen geht. Argentinien ist nun mal Verträge nach US-Recht eingegangen und hat diese nicht erfüllt. Das Angebot, das bislang auf dem Tisch liegt, ist das gleiche, das diejenigen erhalten haben, die sich auf den Schuldabschlag eingelassen haben. Zahlung von ~30% der Schuldsumme. Alles andere würde auch zur sofortigen Aufhebung der Vereinbarung mit den 90% führen, die sich auf den Schuldverzicht eingelassen haben, weil meines Wissens da eine Klausel drinsteht, dass zu keinem späteren Zeitpunkt ein besseres Angebot gemacht werden darf. Meine Vorhersage in dieser Frage ist: Die Richter werden Argentinien zum Zahlen verdonnern, Cristina wird es aber eher auf einen technischen Default ankommen lassen als klein beizugeben und währenddessen nach Vereinbarungen mit den derzeitigen Schuldnern suchen, wie u.U. außerhalb des amerikanischen Rechtssystems weitere Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten sind. Im Zweifel über irgendein Offshore-Bankenparadies in der Karibik. Und sie wüsste die Mehrheit der argentinischen Bevölkerung (wahrscheinlich einschließlich des neuen Papstes) hinter sich. Der predigt ja gerade eine arme Kirche für Arme und hat sicherlich keine besonderen Sympathien für milliardenschwere Hedgefonds wie die eines Paul Singer. Saludos über’n Fluss.

  4. Marcel schreibt:

    Wird noch spannend, aber mit den 30% werden die sich nicht abspeisen lassen, habe mal gelesen, dass die 2005 Umwandlung heute etwa 71% des Nominals entsprechen würde, wenn man die Zinsen seither berücksichtigt. Wenn man bedenkt, dass die Geier damals zwischen 10-15% des Nominals bezahlt haben, sind das selbst bei einem 30% Angebot 100 bis 200% Rendite in gut 10 Jahren – bei der vollen Forderung plus Zinsen wären es dann weit über 1000% dank Zinseszinseffekt – da kann man dann wirklich von Geiern reden. Und vor allem wird dieses Urteil auch richtungsweisend sein für zukünftige Pleitekandidaten – und da wird es ja für die nächsten Jahre genug potentielle Kandidaten geben.
    .
    Der Papst der Armen – die neue Ablenkungsstrategie von all den Missbrauchsvorwürden, Homosexuellen Pristergruppierungen, Vatikanbank, Vatileaks usw. – Ist ja eigentlich positiv, nur wenn dieselbe verklemmte Sexualmoral mit Kondomverbot, Abtreibungsverbot weiterbesteht, dann hilft man den Armen, damit sich die Armut fortpflanzt. Völlig sinnlos.
    Ich habe das Gefühl, wenn dann der neue Papst auf zu arme Kirche und Kirche hauptsächlich für die Armen macht, dass er irgendwann mal beseitigt werden könnte – dieser Trend zur Armut wird doch gewissen Schmarotzern in Kardinalsrobe gar nicht passen…und ob unser schweizer Deko-Garde das verhindern kann, glaube ich nicht.

    Gruss über den Fluss

  5. llamadojorge schreibt:

    In der NZZ steht heute ein interessanter Artikel zum Unterschied der „Theologie des Volkes“, die der neue Papst vertritt, zur bekannteren lateinamerikanischen Befreiungstheologie. Hauptsächlich fehlen die marxistischen Elemente und alles umstürzlerische.

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