Ein schlechter Mafia-Plot

Ich hab in den vergangenen Wochen verschiedentlich verwunderte Kommentare darüber gelesen, dass die Tatsache, dass Präsident Macri in den Panama-Papers auftaucht, in Argentinien nicht zu einem größeren Aufschrei geführt hat. Diese Kommentatoren kennen ganz offenbar unser sonstiges Unterhaltungs-Niveau nicht. Die Messlatte für den öffentlichen Aufschrei liegt seit der korrupten Klique, die vorher am Ruder stand, um einiges höher. Und heute war’s mal wieder soweit.

Ich will vorher aber noch einschieben, dass die Panama-Veröffentlichungen am 3. April stattfanden und zu dieser Zeit hier ein anderer Korruptionsskandal deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit genoss: der um den Bauunternehmer Lázaro Baez. Zwei Wochen zuvor waren Videos von Überwachungskameras aufgetaucht, die Baez‘ Sohn Martín und einige andere Herren beim Geldzählen in einer als „Rosadita“ bekannt gewordenen VIP-Wechselstube zeigen. Diese hatte vor mehr als drei Jahren große Bekanntheit erlangt, als ein nicht besonders heller junger Mann namens Leonardo Fariña sich im Interview mit Star-Journalist Jorge Lanata vor verstecker Kamera damit brüstete, wie er mindestens 55 Mio. Euro als Kurier für Lázaro Baez ins Ausland geschafft habe. Euro deshalb, weil es im Gegensatz zu den Dollars da den 500 Euro-Schein gibt und der gleiche Wert entsprechend weniger als ein Fünftel wiegt. Genutzt worden sei dabei auch das Finanzunternehmen von Federico Elascar, SGI – was dieser im Interview zunächst bestätigte. Elascar sagte jedoch auch, dass höchste Regierungskreise ihn aus seinem eigenen Unternehmen gedrängt hätten, um es für Geldwäsche zu nutzen (daher „Rosadita“, in Anspielung auf den argentinischen Regierungssitz, die Casa Rosada). Tage später widerriefen beide ihre in den Interviews gemachten Aussagen.

Seit Jahren ziehen sich deswegen mehr oder weniger schleppend juristische Untersuchungen hin. Während der Amtszeit der Königin wurde nicht viel unternommen, nicht mal nennenswert dementiert. Seit Super-Macri regiert, traut sich die Justiz allerdings gegen die ehemaligen Regierenden und ihre Handlanger vorzugehen. Erst recht, seit am 15.3. in den Medien dieses Überwachungsvideo lief. Wer es den Journalisten aus welchen Gründen zugänglich gemacht hat, blieb dabei im Dunkeln.

Im Nachklapp der Veröffentlichung, als man hier kaum einen Fernseher einschalten konnte, ohne Baez und Co. beim Geldzählen zu sehen, wurde die Justiz so richtig munter und ordnete Verhöre und Hausdurchsuchungen an (wohlgemerkt drei Jahre nach den ersten Vorwürfen). Drei Tage nach der Veröffentlichung der Panama-Papers musste schließlich Baez senior in Haft (medial verdächtig günstig für Macri). Im Anschluss wurden nahezu täglich Durchsuchungen in einem oder mehreren von Baez‘ mehr als 150 Anwesen, Häusern und Wohnungen durchgeführt. Dabei wurden ’ne Menge Autos, aber auch z.T. Taschen voller Bargeld gefunden, teilweise mit Erdspuren dran, als wären sie vergraben gewesen.

Womit wir beim heutigen Tag sind. Denn dieser begann mit einer wahrhaft epischen Nachricht über den ehemaligen Staatssekretär José López, der in den frühen Morgenstunden in einen Konvent in der Kleinstadt General Rodriguez, etwa 40 Kilometer außerhalb von Buenos Aires, eingedrungen sein soll, bewaffnet mit einem halbautomatischen Karabiner Marke Sig Sauer und einer Glock Pistole, Taschen und Koffern voller Bargeld, überwiegend Dollar sowie einem Spaten, mit dem er die Beute offenbar vergraben wollte. Einem Anwohner kam jedoch verdächtig vor, wie José López da mehrere, offensichtlich schwere Tüten über den Zaun warf, anschließend hinterher kletterte, dann von innen das Tor öffnete und mit dem Auto auf das Gelände fuhr. Er rief die Polizei.

Als die kam, befand sich López angeblich im Gespräch mit einer der Nonnen, die noch im Konvent leben. Er soll dieser gesagt haben, er habe dieses Geld gestohlen, damit sie karitative Projekte damit finanzieren könnten. Die Polizei versuchte er nach Mediendarstellungen zunächst zu bestechen. Als das nicht fruchtete, beschuldigte er sie, das Geld für sich behalten zu wollen. Die Polizei fand in seinem Wagen auch kleinere Mengen Euro, Yen, sowie mehrere hochkarätige Uhren.

Teilweise waren die Geldscheine wohl aufgeweicht oder zumindest feucht, weshalb die Geldzählmaschinen, die eilig herbeigeschafft wurden, erst mal streikten. Um einen wirklichen Überblick über die Menge an Geld zu gewinnen, wurde daher beinahe den ganzen Tag per Hand gezählt. Letzter, noch nicht endgültiger Stand: rund 8,5 Mio. Dollar. López kam in Haft.

Brisant ist die Geschichte deswegen, weil López ein weiteres Bindeglied in der Korruptionskette der Kirchners sein könnte. Baez, der ganz offensichtlich mit überhöhten Preisen für öffentliche Aufträge und entsprechenden Kick-Backs an die Auftraggeber (mutmaßlich auch die Kirchners) sein Vermögen mehrte und so innerhalb von wenig mehr als einer Dekade vom einfachen Bankangestellten bei Kirchners Hausbank zum mehrfachen Milliardär aufstieg, brauchte auf der Auftraggeberseite einen oder mehrere Gegenspieler. López, als Staatssekretär im Planungsministerium ganz unmittelbar mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen befasst, könnte genau dieser Gegenspieler gewesen sein. Da er zudem als rechte Hand von Planungsminister De Vido galt, hängt vermutlich auch der mit drin. Und nicht zuletzt wieder die Ex-Königin, denn López war offenbar einer von wenigen Vertrauten, die nahezu täglich Zugang zur Präsidentin hatten. Man kannte sich bereits aus Gouverneurs-Zeiten in Santa Cruz, Anfang der 1990er Jahre. Und López war, wie De Vido, während der ganzen 12 Jahre Kirchner-Präsidentschaft im Amt. Ins Schwitzen dürften jetzt einige Personen vor allem deshalb kommen, weil López auch zwei Handys dabei hatte, die die Polizei jetzt genüßlich auswerten wird.

Um Schaden von ihr abzuwenden, stellte die katholische Kirche schnell fest, ihr gehöre das Gelände gar nicht mehr, sondern einer „privaten Gruppe Gläubiger“. So ganz unbelastet bleibt die Kirche aber nicht. Ein im April verstorbener Erzbischof, der ebenfalls auf dem Gelände wohnte, soll sich dort des öfteren mit De Vido und Ex-Präsidentschaftskandidat Scioli getroffen haben. Anwohner wollen in den vergangenen Jahren auch mehrfach, immer nachts oder den frühen Morgenstunden, merkwürdige Bewegungen am Kloster bemerkt haben. Autos der gehobenen Klasse seien vorgefahren und nach kurzem Aufenthalt wieder verschwunden. Auch wurde der Konvent seit Nestor Kirchners Amtsantritt 2003 plötzlich mit Geldern für Renovierungsarbeiten bedacht – unter anderem für einen modernen Zaun. Was hinter diesem Zaun und den Mauern des Klosters womöglich noch alles verschwunden ist will die Polizei in den nächsten Tagen mit Spürhunden klären.

Auch wenn da sicher ganz andere Geldverschiebungen stattgefunden haben: Der Unterhaltungswert der Panama-Papers ist dagegen echt Pillepalle.

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Eine Antwort zu Ein schlechter Mafia-Plot

  1. antje schreibt:

    helge, das hast du mal wieder herrlich beschrieben! danke 🙂
    auch der vorige Artikel ist ganz köstlich, mitten aus dem argentinischen alltag!
    liebe grüße aus dem eiskalten regen in tanti

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